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Ein Interview- und Fotografieprojekt mit Frauen aus Peking

Fotografiert und interviewt durch Miriam Leitner und Theresia Romberg-Frede
ANDERS – GLEICH ist ein Interview- und Fotografieprojekt mit Frauen aus Peking.
Miriam Leitner und Theresia Romberg, zwei in Peking lebende Deutsche, begannen 2015 chinesische Frauen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft und Bildung zu interviewen und zu fotografieren.
Die Globalisierung macht die Welt klein – sie bringt uns aber nicht zwangsläufig näher zusammen und sie führt zu keinem besseren Verständnis untereinander.
Das Buch ermöglicht den Blick auf individuelle Geschichten und regt an, einander offen und neugierig zu begegnen.
 
Sie würden gerne mehr wissen? Oder würden uns gerne zu einer Lesung einladen?
Sprechen Sie uns an!
ANDERS – GLEICH.
45 Perspektiven auf Leben und Alltag in China
Esslingen, Drachenhaus Verlag, 2020 
ISBN: 978-3-943314-45-8
 

TERMINE

Interview am 17. August 2022 um 18:00h im Hugenottenhaus Kassel 
oder im livestream https://bit.ly/35PunyX 
Jederzeit im https://artort.tv

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Wen Xia
Wen Xia 文霞 Fotografiert Mit Ihrer Schwester Wen Jui 文慧 》

Wen Xia

  1. geboren im Jahr des Tigers
  2. aus Harbin
  3. Sängerin, Schauspielerin, Miss World 2012

Unsere Familie ist wie ein Tisch mit vier Beinen. Wenn du dich nicht gut oder unglücklich fühlst, dann kann die Familie dich stabilisieren, weil noch drei Beine da sind: Mutter, Vater und Schwester. Meine Mutter hat uns das immer so gesagt. Meine Schwester liebt mich sehr. Für mich ist sie das größte Geschenk meines Lebens. Manchmal sagt sie mir, dass ich umsorgt werden möchte, so wie ein Kind. Wenn ich mit meiner Familie und meinen engsten Freunden zusammen bin, dann kann ich mich manchmal wirklich wie ein Kind fühlen. Draußen trete ich nur als Frau auf. Ich wurde als die zweite Tochter in meine Familie geboren. Meine Großmutter war so enttäuscht, dass sie nicht bereit war, mich und meine Schwester zu beaufsichtigen. Mein Vater musste zur Arbeit gehen und meine Mutter auf dem Feld arbeiten. Deshalb hat uns unsere Mutter manchmal einfach in der Küche eingesperrt. Sie stellte uns etwas Wasser und Essen auf den Tisch und ließ uns in dem Raum. Wenn sie dann nach Hause kam, war alles durcheinander. Manchmal hat sie uns auch mit aufs Feld genommen und uns in eine große Wanne gesetzt, die sie hinter sich her zog. Meine Mutter sagte oft, wie schwierig es war, auf uns aufzupassen. Sie war oft sehr erschöpft.

Meine Schwester und ich haben später an der Universität studiert, ich chinesische Volksmusik. Während dieser Zeit habe ich auch bei dem Miss World Wettbewerb mitgemacht. Ja, ich bin wirklich gern auf der Bühne. Für mich ging es gar nicht darum zu gewinnen, ich wollte einfach nur lernen. Ich wollte unbedingt diese Erfahrung machen.

Wenn ich jetzt in andere Länder reise fragen die Leute oft: „Woher kommst du?“ Wenn ich dann sage, dass ich Chinesin bin, reagieren sie oft: „Wow! Chinesin! Ich möchte unbedingt dein Land kennen lernen.“ Es freut mich sehr, dass die Leute so positiv reagieren! China ist so groß und hat so viele Leute. Ich bin wirklich stolz auf China!

Für meine eigenen Kinder wünsche ich mir, dass sie tun können, was sie sich wünschen. Ich denke, Hobbies sind wichtig. Aber man sollte Kinder auch nicht allzu frei laufen lassen. Sie brauchen Grenzen. So wie meine Mutter es sagt: „Du musst ihnen die Richtung weisen.“

Jeder Mensch trägt Religion in sich. Ich selber respektiere alle Religionen. Eines ist, denke ich, sehr wichtig: Es muss in deinem Herz sein. Dann wird dein Herz zu deinem Gott und zu deinem Universum. Wenn du das in dir finden kannst, dann bist du für immer glücklich.

Die beiden jungen Frauen waren ausgesprochen gastfreundlich zu uns, während wir das Interview in ihrer Wohnung führten. Sie boten uns Tee an und Kekse und die ältere Schwester umsorgte uns regelrecht. Wir unterhielten uns bis spät in die Nacht. Gleich am Tag nach unserem Interview fuhren die beiden zusammen mit ihren Eltern auf eine Kreuzfahrt, bei der die neue Miss World gewählt werden würde. Wen Xia war Mitglied der Jury.

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Gioia
Gioia 》

Gioia

  1. im Jahr des Hasen geboren
  2. aus Hebei
  3. selbständig

Ich bin in einem sehr, sehr kleinen Dorf aufgewachsen. Dort lebten vielleicht 10.000 Menschen. Ich lebte dort mit meinen beiden jüngeren Zwillingsbrüdern, meinem Vater und meiner Mutter. Ich musste meiner Mutter helfen, weil meine Eltern auf den Feldern arbeiten mussten. Das Leben war arm, aber für mich hat es sich gut angefühlt. Das Einzige war, dass mein Vater so schnell wütend wurde. Er hat meine Mutter geschlagen, er hat mich geschlagen; jeden zu Hause.

Seit ich klein war, habe ich Filme und Serien über das Leben in den großen Städten geschaut. Meistens Liebesgeschichten. Ich habe die Arbeitsplätze dort gesehen … Leute, die schöne Kleidung trugen und unterschiedliche Stile hatten. Das war es, was ich wollte. “Wie kann ich das erreichen?”, habe ich mich gefragt. Ich wusste: Lernen, lernen, lernen. Aber mein Vater wollte mich nicht zur Universität gehen lassen. Es war zu teuer. Dann habe ich eine Anzeige gesehen, in der junge Leute in meines Alters gesucht wurden. Es ging darum, eine professionelle Ausbildung für die Arbeit in Hotels zu bekommen. Nachdem ich dort angenommen wurde, hatten sich mein Leben und auch mein Schicksal komplett verändert. Mit meinem kleinen Einkommen habe ich es geschafft, etwas zu sparen und bin dann später auf die Uni gegangen. Seitdem habe ich nie mehr aufgehört zu lernen. Ich bin sehr engagiert. Ich habe einen Abschluss an der Beijing Foreign Studies University gemacht.

Vor einiger Zeit ist meine Mutter immer dicker geworden, obwohl sie früher sehr dünn war. Ganz früher hatte sie nicht genug zu Essen. Sie ist an Bluthochdruck, Diabetes und Alzheimer erkrankt, als sie in ihren 60ern war. Mein Vater hat sich gar nicht um sie gekümmert. Meine beiden Brüder haben ihre eigenen Familien, sie haben auch ein schweres Leben. Also bin ich die Einzige in meiner Familie, die sich um meine Mutter kümmern kann. Jetzt ist sie zu mir nach Peking gekommen. Ich mache alles allein. Um 5 Uhr stehe ich auf, mache sauber, koche und wasche die Wäsche. Seitdem sie bei mir lebt und ich mich gut um sie kümmere, geht es ihr viel besser. Meine Mutter hat ihren Kindern immer die größte, selbstloseste Liebe gegeben. Ich finde, dass ich ihr diese zurückgeben sollte.

Gioias Lieblingsfarbe ist weiß. Sie liebt Möbel, Kleidung und Bettwäsche. Alles um sie herum mag sie am liebsten in einem leichten, sauberen, reinen Weiß. Ganz anders als die Welt, in der sie auf dem Land unter armen Verhältnissen aufgewachsen ist. Wir sind beeindruckt von ihrem Willen und der Hingabe, mit der sie sich ständig weiterbildet, von ihrer beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung.

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Wendy
Wendy 蔚 》

Wendy 

  1. geboren im Jahr des Affen
  2. selbstständig
  3. kam als junge Erwachsene nach Peking

In den 60er Jahren zogen mein Vater und meine Mutter wegen der Arbeit weit in den Südwesten Chinas, die Guizhou Provinz. Dort mussten sie gemeinsam mit Anderen aus dem Nichts eine Firma aufbauen. Es wurden Rotorlager produziert. Ich wurde dort geboren und wuchs dort bis zu meinem achtzehnten Lebensjahr auf. Alle, die in dieser Firma arbeiteten, kamen von Außerhalb. Sie war wie eine Insel innerhalb der örtlichen Welt. Die Ortsansässigen sahen auf uns herab. Sie nannten uns 'bei mian', das bedeutet soviel, wie 'nördliches Mehl', denn im Süden wird nur Reis gegessen.

Ich habe eine berufsbildende Schule besucht und nach meinem Abschluss als Arbeiterin in der Fabrik gearbeitet. Dort habe ich an den Maschinen gearbeitet und so. Wisst ihr, vor einigen Jahren noch habe ich mich richtig geschämt, über diesen Teil meines Lebens zu sprechen, weil ich dort eben ein Jahr lang Arbeiterin war. Heute bin ich aber recht froh darüber, denn ich habe sehr viele technische Fähigkeiten bekommen. Mein Bruder studierte damals in Peking und fand auch für mich eine Möglichkeit dort zu studieren – und ich bin einfach weg gerannt.

Nachdem ich meinen Sohn bekommen hatte, lebte er bei meinen Schwiegereltern. Ich war damals sehr unzufrieden mit dieser Situation. Aber mein Mann wollte es so, dass unser Sohn bei seinen Eltern lebte. Ich hatte keinerlei Einfluss auf den Alltag meines Kindes. Weder konnte ich entscheiden, welche Kleidung er trug, noch was er aß … im Prinzip waren meine Schwiegereltern wie seine Eltern. Ich sah ihn nur am Wochenende. Für Chinesen ist das nicht ungewöhnlich, eigentlich ganz normal. Ich habe mit meinem Mann darüber diskutiert, aber er hat nicht gemerkt, dass das für mich unerträglich war. Seine Eltern waren im Ruhestand und hatten nichts zu tun. Sich um meinen Sohn kümmern zu können machte ihr Leben reich. Er machte sie fröhlich und glücklich.

Ich entschied mich nach England zu gehen, als mein Sohn 5 Jahr alt war. Dort studierte ich und arbeitete bei Starbucks. Als ich zu Besuch war, einigten mein Mann und ich uns darauf, dass unser Kind bei uns leben würde und wir uns selber um ihn kümmern. Deshalb kam ich dann auch zurück. Mein Mann hatte verstanden, dass wir auch unsere eigene, unabhängige Familie brauchten. Es war zwar spät, aber wir haben es geschafft, einen Weg zu finden um unser eigenes Familiensein zu gestalten. Jetzt bin ich glücklich.

Wendy lud uns in ihr Haus, das in einer schicken, britisch aussehenden Wohnanlage steht, ein. Sie hielt eine Teezeremonie für uns ab. Liebevoll kümmert sie sich um die Blumen in ihrem Garten und das Haus ist gemütlich und sehr schön eingerichtet. Ihr Sohn ist mittlerweile 21 Jahre alt und sie erzählt uns, wie stolz sie auf ihn ist. Für sich selbst hat sie eine neue Leidenschaft gefunden: Sie liebt es, die ganze Welt zu bereisen und Berge zu besteigen. Viele der Bilder, die in ihrem Haus hängen, zeigen sie auf europäischen oder amerikanischen Berggipfeln.

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Monica
Monica 馥彤 》

Monica

  1. geboren im Jahr des Ochsen
  2. aus Peking
  3. bereitet sich gerade auf den gaokao*) vor

Mein Vater ist Offizier beim Militär. Wir haben schon immer auf einem Militärgelände gelebt. Meine Mutter ist sehr offen. Sie macht mir Mut, die Welt zu erkunden. Eigentlich sind beide meine Eltern sehr unterstützend – besonders auch mit meiner Entscheidung, im Ausland zu studieren.

Ich habe den Eindruck, dass viele meiner Altersgenossen, die sehr stark durch amerikanische oder japanisch-koreanische Popkultur beeinflusst sind, auch traditionelle, chinesische Fernsehserien mögen. Darüber hinaus sind viele auch interessiert an traditioneller, chinesischer Kultur. Ich zum Beispiel praktiziere Kalligrafie, während andere meiner Freunde die alten, traditionellen Bücher lesen, chinesische Klassiker.

Wenn ich über einen Wunsch für mich selber nachdenke, dann kommt mir als erstes in den Sinn, dass ich mehr lesen möchte. Ich möchte so gern mehr von anderen Kulturen, von anderen Geisteshaltungen im geschichtlichen Verlauf lernen. Und ich denke im Moment ist es für mich der einzige – oder zumindest der günstigste – Weg, dies zu tun: durch Lesen. Ich bin auch der Meinung, dass es sich lohnt, chinesische Geschichte und Kultur kennenzulernen und zu verstehen.

Es gibt viele Fachgebiete der chinesischen Kultur und ihrer Traditionen, die vielleicht neu interpretiert werden müssen. Zum Beispiel die Ideen des Konfuzius. Dies sind alles Werte unserer eigenen Vergangenheit, unserer eigenen Identität, und ich glaube im Moment verliert China den Bezug zu seinen ursprünglichen Werten und Idealen. Ich wünsche mir, den Respekt vor all den verschieden historischen Vergangenheiten aller Länder der Erde verbreiten zu können.

*) Test zur Zulassung an Universitäten

Monica ist, obwohl sie noch eine Schülerin ist, sehr klar und artikuliert. Ihr Englisch ist ausgesprochen gut und wir hatten den Eindruck, mit einer tiefgründigen, kritischen Denkerin zu sprechen. Sie liebt ihre Kultur und ihr Land, aber sie sucht auch nach Auseinandersetzung mit anderen Kulturen, fremden Ländern und fremder Geschichte. Sie ist ein junger Mensch, die nicht nur über den eigenen, persönlichen Weg nachdenkt, sondern sich Gedanken über den Weg ihrer ganzen Generation macht.

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Han
Han 寒 》

Han

  1. geboren im Jahr des Pferdes
  2. verkauft Tofu und Innereien auf einem Frischmarkt
  3. ist 2008 aus der Provinz Hebei nach Peking gezogen

In dem Dorf, aus dem wir kommen, sind alle Muslime. Ich bin mit der muslimischen Kultur in unserem Dorf aufgewachsen. Man muss ehrlich sein. Außerdem haben wir gelernt, wie man ein gutes Geschäft macht. Meine Eltern haben auch Fleisch verkauft, Schaf und Rindfleisch. Mein Vater hat mir beigebracht, wie man das Fleisch verkauft.

Die Religion ist bei uns sehr wichtig. Zum Beispiel bei einem Begräbnis. Als meine Großmutter starb, haben wir einen alten, erfahrenen Mann aus dem Dorf gebeten, die Zeremonie abzuhalten. Die Han-Chinesen lassen das einfach von einer Firma organisieren.

Man ist von Geburt an muslimisch. Wir haben nicht täglich gebetet, nur an besonderen Tagen, an speziellen Festen. Die meisten jungen Leute lernen die Religion nicht mehr so wie die älteren. Unsere Sprache ist sehr schwer, die Kinder lernen sie fast nicht mehr. Wenn die Kinder älter sind, gehen sie manchmal in einen Tempel, dort lernen sie die Sprache. Zu Hause sprechen wir nur Han-Chinesisch. Nur wenn die älteren Leute auf Hui sprechen, müssen wir auch in Hui antworten.

Ich hoffe, dass meine Kinder keine Marktverkäufer werden. Es ist zu anstrengend. Es ist so schwierig. Sie sollen etwas anderes machen, was immer sie möchten.

Ich muss morgens ganz früh aufstehen um die Waren aufzubauen, da muss meine einjährige Tochter mit. Die Miete auf dem Markt ist so teuer, aber ich verdiene nur so wenig Geld mit dem Verkauf. Ich muss jeden Tag arbeiten, nur am chinesischen Neujahrsfest habe ich ein paar Tage frei.

Es ist schwer, weil wir nicht genug Geld verdienen. Mein Mann geht abends gegen 21:00 Uhr los, um die Waren auf einem Großmarkt zu besorgen. Wenn er zurück kommt, gehe ich auf den Markt, und er passt auf unsere Tochter auf. Jeden Nachmittag freue ich mich, nach Hause zu gehen, um meine Tochter zu sehen. In den Winter- und Sommerferien bringt meine Mutter meinen Sohn. Dann bin ich glücklich.

Han verkauft Innereien und Tofu auf einem lebhaften Frischmarkt. Ihr Stand ist mit einem farbenfrohen muslimischen Wandteppich dekoriert. Während wir sie interviewen, bedient sie ihre Kundschaft. Die Augen über ihrem Mundschutz strahlen, als sie uns von ihrer kleinen Tochter berichtet. Es ist schwer, mit unseren Fragen an sie heran zu kommen: Ihr Alltag ist hart. Sie gibt sich keinen Hoffnungen und Träumen hin. Wir fragen sie, ob sie eine Frage an uns hat: „Wieso macht ihr das?“ - „Wir interessieren uns für dich. Und wir möchten gern Geschichten chinesischer Frauen nach Deutschland bringen.“

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Lina
Lina 丽娜 》

Lina

  1. Tierkreiszeichen sind bedeutungslos
  2. kommt aus Dalian
  3. die erste blinde Absolventin der Communication University of China

Als ich zwei oder drei Monate alt war fand man heraus, dass ich ein Problem mit meinen Augen hatte. Die Ärzte diagnostizierten eine angeborene Augenerkrankung. Ungefähr mit 10 Jahren verlor ich mein Augenlicht komplett. Meine Eltern kümmerten sich sehr um mich und sandten mich zu einer Schule für Blinde, um Bildung zu bekommen. Seit meinem achten Lebensjahr lebte ich dort, insgesamt elf Jahre lang. Viermal im Jahr kam ich nach Hause. Außerhalb der Schule hatten wir so gut wie keine sozialen Kontakte. Das ist der Grund dafür, warum diese Schüler ihren Intellekt nicht ausreichend ausbilden können. Das Einzige, worin man sich in dieser Schule spezialisieren konnte, war Massage. Um Teilhabe an der Gesellschaft zu haben, ist das nur ein sehr begrenzter Bereich.

Früher dachte ich, es sei nicht besonders schwierig für mich, meine Ziele zu erreichen. In tatsächlich aber war es sehr schwierig. Drei Jahre lang arbeitete ich als Masseurin. Während meiner Pausen schrieb ich verschiedene lokale Universitäten an, in der Hoffnung, dass sie mir ein Studium ermöglichten.

Dann stieß ich auf das Projekt einer Organisation, die sich der Unterstützung Blinder verschrieben hatte: Beijing Hongdandan Education and Culture Exchange Center. Sie boten jungen, blinden Menschen die Möglichkeit an, eine Ausbildung in der Rundfunk- und Radioproduktion zu machen. Dort lernen zu dürfen war der erste Wendepunkt meines Lebens.

Später nahm ich an einem nationalen Vortrags-Wettkampf teil. Es wurde von der Central People's Broadcasting Station übertragen. Ich gewann dort den zweiten Platz! Die Lehrer des Xiaqing Cups halfen mir dabei, ein Studium an der Communication University of China zu beginnen. Ich war die erste blinde Studentin dort! Aufgrund all der Aufmerksamkeit, die ich von den öffentlichen Medien bekam, wurde ich schließlich zu den Prüfungen zugelassen. Jetzt können alle blinden Menschen dort an den Prüfungen teilnehmen.

Den Sehgeschädigten dabei zu helfen ein Leben frei von Hindernissen zu führen, das ist der Traum für den ich lebe. Und ich habe noch einen weiteren Traum: Ich möchte Moderatorin einer eigenen Radioshow werden.

Wir treffen Lina im Hongdandan Education and Culture Exchange Center. Das alte Hofhaus birgt eine freundliche Atmosphäre. Es liegt in unmittelbarer Nähe von Trommel-und Glockenturm, tief im Herzen des alten Pekinger Stadtzentrums. Lina ist eine junge Frau, die leise aber sehr klar spricht. Man spürt, dass sie es gewohnt ist, vor Publikum zu sprechen. Je mehr sie uns von ihrem Leben erzählt, desto deutlicher wird die Kämpferin in ihr sichtbar; die Kämpferin für Freiheit und Gleichberechtigung. Sie beeindruckt uns tief und es kommt uns vor, als sprächen wir mit der Jeanne d'Arc der Blinden.

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Fu Ren
Fu Ren 天人 》

Fu Ren

  1. geboren im Jahr des Drachen
  2. Straßenverkäuferin
  3. kommt aus Wuhan

Ich verkaufe 'jian bing', chinesische Pfannkuchen. Es kommen viele ausländische Kunden, weil hier die internationale Schule ist. Meine Kinder sind zu Hause, nein, nicht in Peking. Hier habe ich keine Zeit für die Kinder, ich habe viel zu viel Arbeit.

Wenn die Kinder Ferien haben, kommen sie für zwei Monate her. Zum Frühlingsfest fahre ich immer zu ihnen. Mein Mann arbeitet auch in Peking, er ist Fahrer.

Was ich mir wünsche? Ganz, ganz viel! Ich habe so viele Wünsche! Ich wünsche mir, dass meine Kinder bei mir sein können. Dass ich eine sichere Arbeit und ein regelmäßiges Einkommen habe.

Ich hoffe, dass ich und meine Familie alle gesund bleiben. Dass wir mit der ganzen Familie und auch mit meinen Verwandten friedlich und gesund zusammen leben können.

Für China? Einen Wunsch? Da habe ich nie dran gedacht. Für China habe ich keinen Wunsch. Ich bin zufrieden, wie es ist. Jeden Tag bin ich zwei Stunden hier und danach mache ich den Wagen sauber. Ich bereite die Soßen und alles weitere vor und gehe einkaufen. Manchmal bin ich auch an anderen Standorten. Ich wohne ganz hier in der Nähe, ich brauche nur drei Minuten bis hierher. Fünf bis sechs Jahre möchte ich noch in Peking bleiben, dann gehe ich wieder zurück. Seit sechs Jahren bin ich schon hier.

Fu Ren betreibt einen kleinen mobilen Verkaufsstand für traditionelle chinesische Pfannkuchen auf dem Parkplatz vor einem westlichen Supermarkt. Nachdem wir sie ein wenig überredet haben, hat sie uns ein paar Details aus ihrem Leben preisgegeben. Auf dem Foto war es ihr wichtig, richtig gut auszusehen. Sie hat ihre Schürze glatt gestrichen und sich über das schäbige Aussehen ihres Wagens beschwert. Wir mussten lachen, weil uns Frauen das doch alle verbindet.

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Ting Ting
Ting Ting 婷婷 》

Ting Ting

  1. geboren im Jahr des Drachen
  2. Assistentin in einer internationalen Firma
  3. stammt aus der Provinz Hebei

Meine Familie ist eine sehr arme Familie. Ich erinnere mich an meine Kindheit, da waren die Bedingungen für meine Familie nicht so gut. Ich liebe meine Eltern und meine Eltern lieben mich – das ist ganz klar. Von ihnen habe ich diese positive Einstellung gelernt.

Ich möchte euch eine Geschichte erzählen. Ich habe – nein hatte – einen Freund. Bis vor 3 Monaten. Wir waren 4 Jahre zusammen. 2 Jahre lang haben wir zusammen gelebt. Jetzt bin ich 28 Jahre alt und meine Eltern sind der Meinung, ich sei schon sehr alt und es sei Zeit zu heiraten. Ich habe mit meinem Freund besprochen, dass wir jetzt heiraten sollten. Meine Eltern sagten, dass wir dann jetzt eine Wohnung in Peking kaufen sollten. Mein Freund aber meinte, dass er nicht das Geld habe, um in Peking eine Wohnung zu kaufen.

Selbst wenn man bei der Bank einen Kredit aufnimmt muss man eine Anzahlung machen. Und auch dieses Geld haben wir nicht. Die Wohnungen in Peking sind viel, viel zu teuer. Seine Familie ist auch sehr arm. Meine Eltern waren gar nicht erfreut. Aus diesem Grund habe ich mich von meinem Freund getrennt. Das ist sehr traurig. Für meine Eltern ist es inakzeptabel, dass wir weiter zur Miete wohnen. Ich bin jetzt aus der Wohnung ausgezogen. Ich will meinen Eltern nicht schaden oder sie belügen. Ich bin ja Einzelkind. Das ist das Problem.

Ich muss mir jetzt einen Mann suchen, der eine Wohnung hat. Für mich ist das so traurig. Ich habe meinen Eltern gegenüber meine Meinung sehr, sehr deutlich gesagt. Aber mein Papa war dann total verärgert. Er hat gesagt, dass ich, wenn ich unbedingt diesen Mann ohne Wohnung und ohne Geld heiraten wolle, nicht mehr seine Tochter sei!

Für mich ist die Liebe ganz wichtig. Ich würde gerne für immer mit meinem Freund zusammen bleiben.  Mein Freund kommt ja aus einer armen Familie und er ist natürlich auch verzweifelt. Aber er sieht sich schon in der Pflicht für eine Frau eine Wohnung bieten zu können. Auch er kann die Situation nicht ändern. Tatsache ist, dass meinen Eltern das nicht wollen. Ich muss die Meinung meiner Eltern berücksichtigen. China ist eine Beziehungsgesellschaft.

Ting Ting ist eine sympathische, ernsthafte junge Frau. Sie hat alle ihre Erfolge dank ihrer eigenen Stärke und Entschlossenheit erreicht. Während ihres Studiums hat sie eine Zeitlang in Deutschland gelebt. In dieser Phase hat sie auf der anderen Seite der Welt neue Perspektiven kennen gelernt. Aber sie hat auch eine klarere Sicht auf ihre eigene Welt gewonnen. Wie Viele es tun, erklärt auch sie uns die chinesische Denkweise, die Überzeugungen und Traditionen. Sie fühlt sich der chinesischen Kultur, die sie liebt, und in der sie ihren Platz einnimmt, sehr verbunden.

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December
December 爱悦 》

December 

  1. geboren im Jahr des Pferdes
  2. Studentin
  3. kommt aus Peking

Ein Pferd ist kraftvoll und hat eine positive Haltung. Ich bin, genau so wie mein Sternzeichen, gut im Rennen. In der Schule bin ich immer 800m, 1500m oder 3000m gelaufen. Auch heute ziehe ich mir meine Laufschuhe an, wenn ich mich schlecht oder traurig fühle und gehe draußen laufen. Für mich ist das ein Gefühl fast wie zuhause zu sein.

Meine Familie besteht aus vier Personen: Meinem Vater, meiner Mutter, mir und meinem Bruder, der drei Jahre jünger ist als ich. Bis ich sieben war lebte ich bei meinen väterlichen Großeltern. Ich war das einzige Kind, das von ihnen aufgezogen wurde. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, warum ich bei ihnen lebte… vielleicht hat meine Mutter gearbeitet? Ich weiß es gar nicht.

Meine Großeltern starben beide, als ich in die Grundschule kam. Meine Eltern sprachen nicht über den Tod meiner Großeltern. Wir haben keine Religion. Ich glaube auch an nichts, an keinen Gott, an keinen Buddha. Ich respektiere es, dass andere Leute eine Religion haben. Ich selber habe nur Angst vor den Geistern der Toten. Ich glaube, dass sie da sind. Noch habe ich keinen dieser Geister gesehen. Manchmal, wenn ich Angst vor ihnen habe, dann versuche ich einfach an etwas Anderes zu denken.

Anders als meine gleichaltrigen Freunde bin ich manchmal ganz gerne alleine. Wenn ich ganz allein bin, dann fühle ich mich manchmal ein wenig einsam, aber es gibt mir auch die Möglichkeit über mich selber nachzudenken. Und auch selber zu denken und zu entscheiden. Ich glaube, das ist eine gute Möglichkeit für mich, um von anderen unabhängiger zu werden.

Wenn ich einen Wunsch für mich hätte, dann hätte ich gerne den richtigen Freund. Aber nein, ich würde mir wünschen, dass ich eine positive Einstellung bewahren kann. Ich wäre gern jung, nicht vom Aussehen oder vom Körper her, sondern indem ich mir Dinge zutraue zu tun, vor denen ich Angst habe. Und ich habe den Wunsch, die Dinge nicht aufzugeben, die ich wirklich tun möchte. Ich habe die Hoffnung, die Stärke, die Kraft des Geistes und die Kreativität zu haben, meinen Träumen zu folgen.

Wir trafen December in ihrem Studentenwohnheim auf dem Universitätscampus. Sie teilt ihr Zimmer mit drei weiteren Studentinnen. Persönlicher Raum ist hier sehr begrenzt, aber jede der jungen Frauen gestaltet und dekoriert den ihren besonders und sehr persönlich. Sie denkt viel darüber nach, wie sie die Erwartungen ihrer Eltern erfüllen kann, gleichzeitig sich selbst aber auch treu bleiben kann. Unabhängiger zu werden innerhalb der engen Familienbande stellt für sie eine große Herausforderung dar.

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Tao
Tao 涛 》

Tao

  1. geboren im Jahr des Hundes
  2. aus Peking
  3. Professorin für Wushu (chinesische Kampfkunst)

Ich wuchs gemeinsam mit meinem jüngeren Bruder bei meinen Eltern auf. Meine Wushu - Laufbahn habe ich sehr jung, mit sechs Jahren, begonnen. Mein Vater nahm mich immer mit nach draußen um mit mir Rennen, Dehnen und Kicken zu üben. Das Training war sehr hart. Ich erinnere mich daran, dass meine Großmutter meinem Vater sagte: “Du bist so gemein. Lass meine Enkeltochter in Frieden.“ Ich bin meinem Vater aber sehr dankbar. Er sorgte einfach dafür, dass ich weiterkam.

Meine Mutter kümmerte sich einfach um mich. Sie wollte, dass ich glücklich bin. Sie war stolz auf mich. Besonders, als ich später die einzige von 20 Klassenkameraden war, die an einem speziellen Sportinternat angenommen wurde. Später musste ich auch keinen Eingangstest an der Universität ablegen. Sie wählten mich aus! Ich wollte wirklich weiterkommen in meiner Wushu Laufbahn. Ich habe dort mein Examen abgelegt – und ich bin noch immer hier! Das ist gut so!

Wushu ist traditionelle chinesische Kultur. Es geht hier nicht nur um Technik, sondern auch um Philosophie. Es geht nicht nur um Muskeln und Bewegungen; es geht um Konzentration und um Fokus. Wenn ich im Leben Schwierigkeiten begegne, dann weiß ich, dass ich stark bin.

Als ich meine amerikanischen Studenten gefragt habe, was für sie das Bedeutendste am Wushu Lernen ist, sagten sie: „Respekt. Respekt gegenüber deinem Lehrer, Respekt gegenüber deinen Klassenkameraden, Respekt gegenüber den Ritualen.“ Im chinesischen gibt es dieses Sprichwort: Wenn du nach links gehen willst, dann musst du zuerst nach rechts gehen. Wenn man das macht, dann werden die Bewegungen fließender und schöner.

Ich hoffe sehr, dass die Chinesen ihr kulturelles Selbstvertrauen stärken. Zum Beispiel im Wushu. Ich hoffe wirklich, dass die Leute ihre eigene Kultur wieder lieben lernen.

Wir trafen Professor Tao an der Sportuniversität, an der sie auch unterrichtet. Von ihren Studenten erwartet sie Disziplin und Respekt und es ist offensichtlich, dass sie das, was sie unterrichtet, liebt. Sie demonstriert uns einige Wushu-Bewegungen und die Perfektion darin ist wunderschön. In ihrem Büro steht eine ganze Sammlung von Pokalen, die sie bei den verschiedenen Wettkämpfen gewonnen hat.

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Shu Ling
Shu Ling 淑伶 》

Shu Ling

  1. geboren im Jahr des Affen
  2. Besitzerin eines Zigarrettenladens
  3. kommt aus Xianghe in Hebei

Den Laden haben wir eröffnet, als wir nach Peking kamen. Wir verkaufen Zigaretten weil, wie soll ich sagen, wegen der Nachfrage. Das Geschäft läuft sehr gut. Meine Kunden kommen und mögen es, ein wenig zu plaudern. Ich mag das auch sehr. Ich bin aber auch frei! Ich arbeite, wenn ich arbeiten möchte. Wenn ich etwas zu tun habe, gehe ich.

Mein Vater ist gestorben, als er 50 Jahre alt war. Er hatte Krebs. Damals war ich 20 Jahre alt und noch nicht verheiratet, ich hatte auch noch nie eine Beziehung gehabt. Um mich war er besonders besorgt. Als ich dann 22 war, habe ich endlich geheiratet. Ich habe den Mann geheiratet, den ich mir selber ausgesucht habe. Als mein Vater gestorben war, haben meine beiden Brüder bereits genug Geld für die ganze Familie verdient.

Ich hoffe wirklich, dass mein Sohn beruflich erfolgreich wird. Dann kann er auch eine Freundin finden, heiraten und ein sicheres Leben führen. Gesundheit für ihn ist mir auch sehr wichtig. Er hat Planungstechnik studiert. Fünf Jahre war er an der Universität.

Für mich selber hoffe ich einfach gesund zu bleiben. Und dass die ganze Familie glücklich zusammen lebt. Und natürlich wünsche ich mir, dass ich bald ein Enkelkind haben werde. Dann werde ich mich um das Baby kümmern. Definitiv. So sind chinesische Leute eben, nicht wahr? Für mein Enkelkind hoffe ich nur, dass es glücklich groß wird.

Das Interview haben wir in einem kleinen Laden geführt. Es war sehr kalt; deshalb waren die Plastikvorhänge am Eingang geschlossen, und die Kunden hatten kaum Platz um einzutreten. Hinter dem Tresen aber ist viel Raum. All die Regale an den Wänden sind voller Zigaretten. Die Familie lebt im Nebenraum. Während des Interviews kommen viele Kunden zum Zigaretten kaufen oder um ihre Handys aufzuladen. Shu Ling hilft der älteren Kundschaft geduldig und tippt die langen Kodes in die Tastaturen der Handys.

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Panda
Panda 》

Panda

  1. geboren im Jahr des Ochsen
  2. Musikerin
  3. verheiratet mit einem Koch

Warum ich Panda heiße? In der Mittelschule war ich lustig und sehr wild. Alle nannten mich „xióngmāo“ was Panda bedeutet. Er ist ein wichtiges Tier in China. Und ich dachte: “Oh, Panda! Das ist total Chinesisch.“ Vielleicht sind meine Vorstellungen anders, eher international, aber ich bin Chinesin. Ich dachte: „Ok, das gefällt mir. Ich bin Panda.“ Ich verwende den englischen Ausdruck.

Als ich sechs war fing ich an, Klavier zu spielen. Es war schlimm, weil mich meine Mutter so angetrieben hat. Jeden Tag musste ich zwei Stunden spielen. Hausaufgaben machen, Klavier spielen. Jeden Tag. Das war so, so schlimm. Meine Kindheit war schwarz. Überhaupt nicht glücklich, sehr traurig. Meine Mama hat mich geschlagen. Meine Oma sagte: „Bitte, schlag doch das Kind nicht. Sie ist unglücklich. Sie will fröhlich sein, ihre Kindheit genießen.“ Aber Mama sagte: „Nein. Sie wird eine Meisterin sein, sie wird Musikerin sein.“ Mein Papa hat dann geweint. Er hat dann gesagt: „Mein Kind ist so traurig.“ Aber niemand konnte sie davon abhalten mich zu schlagen.

In der Mittelschule hörte ich dann auf Klavier zu spielen. Nach ein paar Jahren aber hab ich meiner Mutter gesagt, dass ich wieder Musik machen will. „Früher hast Du mich immer angetrieben. Aber jetzt brauche ich selber Musik. Ich weiß nicht, was mein Leben ist. Aber ohne Musik sterbe ich!“ Musik ist mein Leben!

Jetzt bin ich selber Lehrerin! Ich mach alles auf meine Weise. Ich drängle meine Schüler nicht. Ich mach es nicht wie Mama. Ich frage sie: „Gefällt Dir das?“ „Ja! Ich mag das!“ „Ok, wir spielen das!“ Sie sind sehr glücklich.

Traditionell mussten die Kinder immer sehr gehorsam sein. Aber ich denke, bei Musik geht es ums Hören. Nicht ums Lesen. Es geht nicht ums Auge. Es geht darum, das Ohr zu gebrauchen und zu fühlen. Zum Beispiel am Keyboard: fühlen, hören, singen, spielen.

Ok, ich erzähl Euch ein Geheimnis: Ich habe Tätowierungen! Ein Metronom, CD Spieler, love me tender, love me…, Pandas, ein Bossa Nova Lied, einen Cupcake, Käse, Kirschen - in China ist das ganz ungewöhnlich. Meine Mama sagte: „Du bist nicht mehr mein Kind, verschwinde!“ Aber jetzt will sie auch Tätowierungen haben. Mein Papa sagt: „Spinnst Du? Wie alt bist Du denn?“ Aber sie sagt: „Warum nicht?“

Panda begegnet uns energiegeladen und fröhlich. Anders als sonst nehmen wir mit ihr vor dem Interview schon die Bilder auf. Sie liebt es zu posieren und sich zu inszenieren. Es ist spürbar, dass sie eine Frau der Bühne ist. Auch während des Interviews nimmt sie ständig Rollen ein, lacht, singt und spielt das vor, was sie ausdrücken will. Es dauert eine Weile, bis hinter der lustig-kumpelhaften, vielleicht sogar schrillen Person ein anderes Gesicht wahrzunehmen ist. Eine Frau, die Vieles erlitten hat und die sich mit ungeheurer Kraft ihren persönlichen Weg freigekämpft hat. Eine Frau mit Reife, Tiefgang und Mission.

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Yao Ting
Yao Ting 耀庭 》

Yao Ting

  1. geboren im Jahr des Hundes
  2. kam 1953 aus der Provinz Hebei nach Peking
  3. hat als Ticketverkäuferin bei einer Busgesellschaft gearbeitet

Als meine Stief-Großmutter acht Jahre alt war, starb ihr Vater. Ihre Mutter konnte die Feldarbeit kaum alleine bewältigen, da sie gebundene Füße hatte. Die Familie hatte drei Kinder: zwei Mädchen und einen Jungen. Der Bruder meiner Stief-Großmutter starb ein paar Jahre später, als er neun Jahre alt war. Das war das sehr schlimm für die Familie. Meine Stief-Großmutter hat mir erzählt, dass der Tod des Sohnes ein Schock für deren Mutter war. Aber sie erinnert sich auch, dass es trotzdem eine glückliche Zeit war, obwohl sie, die drei Frauen, ohne Mann waren . Sie hatten viel Spaß miteinander und sie lachten oft.

Meine Stief-Oma wollte meinen Opa gar nicht heiraten. Aber ihre Verwandten kannten ihn gut. Er war vorher schon verheiratet gewesen. Sie haben sie miteinander bekannt gemacht, obwohl er geschieden war. Er ein sehr freundlicher Mann mit Aussicht auf eine gute Karriere. Sie wussten, dass er ein guter Ehemann sein würde und so haben sie meine Oma dazu ermuntert, ihn zu heiraten.

Sie hatte oft schwere Zeiten. Am Anfang hatte sie Schwierigkeiten mit ihrer Schwiegermutter. Dann waren da eine Menge Kinder, um die sie sich kümmern musste. Als ihre Schwiegermutter schwer krank wurde, musste sie sich viele, viele Jahre um sie kümmern und sie pflegen.

Ihre glücklichste Zeit war so von 1970-1990; um die zwanzig Jahre. Ich glaube, es fing an, nachdem ich geboren wurde. Ihre Schwiegermutter war gerade gestorben und in der Familie gab es ein neues Baby. Die finanzielle Situation der Familie war jetzt auch besser. 1989 ging mein Großvater in Rente; die Kinder waren bereits alle verheiratet. Sie hatten ein paar glückliche Jahre. Dann ist mein Großvater an derselben Krankheit erkrankt, wie seine Mutter, und meine Stief-Großmutter hat sich um ihn gekümmert, als er pflegebedürftig wurde.

Heute kümmert sich die Ayi (eine Helferin) um meine Großmutter. Wir haben darüber nachgedacht, sie zu meinen Eltern, meinem Onkel oder meiner Tante zu holen, um dort zu leben. Aber es gibt da eine Menge Probleme. Manche Leute sagen, dass die Generation meiner Großmutter Unglück hat. Als sie jung waren und verheiratet, da waren die Schwiegermütter sehr schwierig. Als sie älter wurden, waren die Schwiegertöchter sehr schwierig. Deshalb, lebt meine Stief-Oma heute lieber alleine.

Wir waren zu Yao Ting in ihre kleine Wohnung eingeladen, in der die ganze Familie vor Jahren zusammen gelebt hatte. Die Möbel und die Dekoration haben uns an die Wohnzimmer unserer eigenen Großmütter erinnert. Ihre Stief-Enkeltochter hat uns nicht nur als Übersetzerin geholfen, sondern uns auch die Geschichte der ganzen Familie erzählt: „Ich hoffe, dass euch das hilft, die Geschichten diesen Landes und dieser besonderen Zeiten in China zu erfahren.“ Die liebevolle Beziehung zwischen den beiden Frauen hat uns sehr berührt.

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